EU-Verordnung soll Erprobung klimaneutraler Technologien fördern
Am 16. März 2023 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Vorschlag für den sog. „Net Zero Industry Act“ nebst Anhängen. Mit der Entwicklung von Netto-Null-Technologiesektoren soll der Übergang zu einer klimaneutralen, sauberen europäischen Industrie gelingen und die damit einhergehende Überholung des europäischen Energiesystems. Im Fokus stehen sog. „Netto-Null-Technologien“ wie Technologien für erneuerbare Energien, Strom- und Wärmespeichertechnologien, Wärmepumpen, Netztechnologien, Technologien für nachhaltige alternative Kraftstoffe und viele weitere energiesystembezogene Energieeffizienztechnologien (vgl. Artikel 3 Absatz 1 lit. a) des VO-Vorschlages).
Besonders hervorzuheben ist, dass der Vorschlag für eine Netto-Null-Industrie-Verordnung für die Erprobung dieser Technologien die Einrichtung sog. regulatory sandboxes (Reallabore für Netto-Null-Technologien) vorsieht (vgl. Erwägungsgrund 62, Artikel 26 und 27 des VO-Vorschlages). Mit diesem Instrument sollen Innovationen gefördert, regulatorische Anforderungen vereinfacht sowie schnellere und weniger schwerfällige Verfahren etabliert werden. Die Mitgliedstaaten sollen dabei koordiniert zusammenarbeiten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Experimente zu gewährleisten und ähnliche Ausnahmen vom Unionsrecht zu ermöglichen (S. 7). Auch das regulatorische Lernen ist Ziel des Verordnungsvorschlages.
Vorschlag für die Netto-Null-Industrie-Verordnung
Hier können Sie den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Netto-Null-Industrie-Verordnung im Wortlaut nachlesen:
Zum VorschlagAnhänge zur Netto-Null-Industrie-Verordnung
Hier finden Sie die Anhänge zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Netto-Null-Industrie-Verordnung im Wortlaut:
Zu den AnhängenDie EU-Kommission wird im Jahr 2023 einen Leitfaden für Reallabore veröffentlichen, um die Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung der Netto-Null-Technologie-Reallabore zu unterstützen.
Auf Unionsebene soll eine Plattform „Net-Zero Europe“ eingerichtet werden, die sich aus den Mitgliedstaaten zusammensetzt und in der die Kommission den Vorsitz führt. Die Plattform soll die in der Verordnung festgelegten Aufgaben wahrnehmen, insbesondere in Bezug auf Genehmigungen, einschließlich der Schaffung zentraler Anlaufstellen aber auch in Bezug auf innovative Reallabore für Netto-Null-Technologien (Erwägungsgrund 69 des VO-Vorschlages).
Das Verfahren zur Einrichtung von regulatory sandboxes sowie die Voraussetzungen hierfür werden abstrakt in Artikel 26 des VO-Vorschlages festgelegt:
Verfahren zur Einrichtung von regulatory sandboxes:
- Danach können regulatory sandboxes auf eigene Initiative eines Mitgliedstaates eingerichtet werden, die die Entwicklung, Erprobung und Validierung innovativer Netto-Null-Technologien in einer kontrollierten realen Umgebung für eine begrenzte Zeit vor ihrem Inverkehrbringen oder ihrer Inbetriebnahme ermöglichen, wodurch das regulatorische Lernen und die potenzielle Ausweitung und breitere Einführung verbessert werden. Zudem sind Reallabore auf Antrag eines Unternehmens von den Mitgliedstaaten einzurichten, wenn das Reallabor die Förder- und Auswahlkriterien (die noch in Durchführungsrechtsakten festzulegen sind, vgl. Abs. 2) erfüllt.
- Die Modalitäten und Bedingungen für die Einrichtung und den Betrieb der Reallabore soll im Wege von Durchführungsrechtsakten festgelegt werden und enthalten gemeinsame Grundprinzipien zu folgenden Themen:
- Förderfähigkeits- und Auswahlkriterien für die Teilnahme an den Reallaboren für Netto-Null-Technologien;
- Verfahren für die Beantragung von, die Teilnahme an und die Überwachung von Reallaboren sowie den Ausstieg aus und die Beendigung der Reallabore, einschließlich des Reallabor-Plans und des Ausstiegsberichts;
- die für die Teilnehmer geltenden Bedingungen.
- Die Erprobung, Entwicklung und Validierung innovativer Netto-Null-Technologien erfolgt unter der direkten Aufsicht und Anleitung der zuständigen Behörden (Abs. 3). Diese verfügt auch über Aufsichts- und Korrekturbefugnisse. Die zuständigen Behörden üben ihre Aufsichtsbefugnisse innerhalb der Grenzen der einschlägigen Rechtsvorschriften flexibel aus, passen bestehende Regulierungspraktiken an und nutzen ihre Ermessensbefugnisse bei der Umsetzung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften für ein bestimmtes „Netto-Null-Reallaborprojekt“ mit dem Ziel, Hindernisse zu beseitigen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, die Rechtsunsicherheit zu verringern und Innovationen im Bereich der Netto-Null-Technologien zu fördern.
- Die zuständigen Behörden legen angemessene Schutzvorkehrungen fest, sodass jede Ausnahme vom Unionsrecht und dem nationalen Recht mit geeigneten Risikominderungsmaßnahmen einhergeht (Abs. 4).
- Sofern die Teilnehmer*innen den Reallabor-Plan und die Teilnahmebedingungen einhalten und die Leitlinien der Behörden nach Treu und Glauben befolgen, werden von den Behörden keine Geldbußen oder sonstigen Sanktionen wegen Verstoßes gegen geltende Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die im Reallabor überwachte Netto-Null-Technologie verhängt (Abs. 5).
- Es besteht eine Haftung nach den geltenden Haftungsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten für Schäden, die Dritten durch die im Reallabor durchgeführten Tests entstehen (Abs. 6).
- Die Dauer des Reallabors kann nach dem gleichen Verfahren mit Zustimmung der zuständigen nationalen Behörde verlängert werden (Abs. 7).
- Die Reallabore für Netto-Null-Technologien sind so zu konzipieren und umzusetzen, dass sie gegebenenfalls die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den zuständigen nationalen Behörden erleichtern. Die Mitgliedstaaten arbeiten im Rahmen der „Net-Zero Europe“-Plattform (vgl. Artikel 28 und 29 des VO-Vorschlages) zusammen, um relevante Informationen auszutauschen. Sie erstatten der Kommission jährlich Bericht über die Ergebnisse der Umsetzung der Reallabore, einschließlich bewährter Verfahren, gewonnener Erkenntnisse und Empfehlungen zu ihrer Einrichtung (Abs. 8).
Artikel 27 des VO-Vorschlages normiert darüber hinaus „Maßnahmen zugunsten von KMU“. Beispielsweise soll KMU vorrangig Zugang zu den innovativen Reallaboren gewährt werden. Darüber hinaus sollen Sensibilisierungsmaßnahmen organisiert, angemessene administrative Unterstützung gewährt und ggf. spezielle Kanäle für die Kommunikation errichtet werden.
Im Rahmen eines Monitorings (Artikel 31 des VO-Vorschlages) stellen die Mitgliedstaaten und die zuständigen nationalen Behörden der Kommission jedes Jahr u. a. Daten zu der Anzahl der in den letzten 12 Monaten eingerichteten Reallabore zur Verfügung.